Proteste in Cannes: Sexismus beim Film-Festival?
Jedes Jahr werden bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes die besten Filme aus aller Herren (!) Länder geehrt. Auch 2012 wird wieder eine renommierte Jury darüber entscheiden, wer mit einem der begehrten Preise nach Hause gehen darf. Beim diesjährigen Filmfestival fällt jedoch eines auf: Von den 22 nominierten Beiträgen stammen restlos alle aus der Feder eines Mannes. Das stößt bei den Frauen dieser Zunft natürlich sauer auf.
Daher haben sich nun drei der bekanntesten französischen Filmemacherinnen zusammengeschlossen und verliehen am Freitag unter dem Motto „Frauen zeigen Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme“ ihrem Protest Ausdruck. In einem Beitrag für die französische Tageszeitung Le Monde machen die Regisseurinnen Coline Serreau (64), Virginie Despentes (42) und Fanny Cottençon (55) ihrem Ärger über die einseitige Einladungspolitik der Veranstalter Luft. „Das Festival von Cannes 2012 erlaubt es Wes, Jacques, Leos, David, Lee, Andrew, Matteo, Michael, John, Hong, Im, Abbas, Jen, Sergei, Cristian, Yousry, Jeff, Alain, Carlos, Walter, Ulrich, Thomas, ein weiteres Mal zu zeigen, dass Männer bei Frauen Tiefe zu schätzen wissen - allerdings nur bei ihrem Dekolleté“, heißt es da. 550 Frauen UND Männer haben im Internet bereits den Protestbrief unterzeichnet.
Neben Wes Anderson (43), der das Festival mit seinem neuen Film „Moonrise Kingdom“ eröffnen wird, werden auch Michael Haneke (70), David Cronenberg (69), Ken Loach (75) und Alain Resnais (89) ihre Filme zeigen und dürfen auf die goldene Palme, die für den besten Film des Wettbewerbs verliehen wird, hoffen. „Diese beispielhafte Auswahl sendet ein starkes Signal an die Branche und die Weltöffentlichkeit aus. Denn wer könnte ein besseres Sprachrohr für diese unabänderliche Botschaft sein, als das prestigereichste Filmfestival der Welt“, bemerken die drei filmschaffenden Frauen im ironischen Unterton in ihrem Schreiben weiter. „Ganz im Bewusstsein der eigenen herausgehobenen Stellung haben sie jegliches weibliche Bestreben, in diesen wohlbehüteten Bereich vorzustoßen, unterbunden.“ Tatsächlich erhielt erst eine einzige Frau in der 64-jährigen Geschichte der Festspiele den Hauptpreis. 2003 gewann die Neuseeländerin Jane Campion (58) mit ihrem Film „Das Piano“ die goldene Palme.
Thierry Fremaux, der als Chef des Filmfests auch die Auswahl der Nominierten zu verantworten hat, reagierte am Freitagnachmittag prompt auf die Kritik der Protestlerinnen. Die Auswahl der Filme für den Wettbewerb sei vollkommen unabhängig vom Geschlecht des Regisseurs. So werde man nie einen Film nominieren, nur, weil er von einer Frau gemacht wurde. „Das würde zu einer Quotenpolitik führen“, so Frémaux. Zwar müsse man den weiblichen Vertretern der Branche durchaus mehr Raum zugestehen, Cannes wäre dafür allerdings weder der geeignete Ort noch die passende Zeit, um dies durchzusetzen. „Es reicht nicht, das Problem nur in Cannes oder nur im Mai anzusprechen, das muss das gesamte Jahr über geschehen.“