Faszination Schumi: Warum wir alle um ihn zittern
Heute wird Michael Schumacher 45 Jahre alt. Den Grundstein seiner Karriere legte er bereits am 25. August 1991, als er zum ersten Mal in den Formel-1-Wagen stieg. Auf dem Papier gewinnt Schumacher in den darauf folgenden Jahren 91 Rennen, wird sieben Mal Weltmeister. Rekord. Doch es sind nicht die Zahlen, die ihn zum größten Formel-1-Fahrer aller Zeiten machen, und die im Moment Millionen Menschen weltweit um die Gesundheit des ehemaligen Rennfahrers, der seit einem Skiunglück mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen im Koma liegt, zittern lassen. Ein Erklärungsversuch.
SCHUMI, DAS IDOL ALLER GENERATIONEN
Michael Schumacher ist eine der wenigen männlichen Männer-Fantasien, weil er in seinem F1-Overall einen echten Testosteron-Traum lebt: Geld, Erfolg, Geschwindigkeit. Ein nicht zu unterschätzender Teil aller Männer hat eine Ferrari-Kappe zu Hause - und kriegt bei Motorengeheul Gänsehaut.
Für die Kleinen der 90er Jahre ist er das erste Kindheitsidol: Schumi tritt Sonntag für Sonntag nicht nur gegen Ayrton Senna, Damon Hill und Mika Häkkinen an, sondern auch gegen Mama („Diese grässlichen Motoren-Geräusche...Mach wenigstens den Ton aus“) und Oma, die sich genauso über einen Besuch ihres Enkels freut wie Schumacher über die Nationalhymne nach einem Sieg. Und noch etwas macht Schumi besonders: Seine Fahrten im fernen Australien und Japan sind der erste Grund, für den die Kinder der 90er ihren Wecker freiwillig stellen.
SCHUMI, DER HASSGELIEBTE
Es gibt eigentlich nichts dazwischen: Wer Schumi nicht liebt, führt eine leidenschaftliche Hassliebe: Seine Feinde hassen ihn für sein Manöver, bei dem er Damon Hill 1995 in die Seite rammt – und erstmals Weltmeister wird. Sie hassen ihn für sein Manöver, bei dem er WM-Konkurrent Jacques Villeneuve 1997 in Jerez in die Seite rammt – und nach dem Vergehen alle WM-Punkte abgezogen bekommt. Für den Erfolg reizt er seine Möglichkeiten mit einem Hang zur Grauzone bis an die Grenze der Fairness aus. Sein Rivale Damon Hill sagte 2013 gegenüber dem Tagesspiegel: "Manchen Erfolg hat er auf kontroverse Weise errungen, er hat keine Gewissensbisse in dieser Hinsicht." Bezeichnend: Bis heute gehört Schumis finnischer Rivale Mika Häkkinen hierzulande zu den beliebtesten Motorsportlern.
SCHUMI, DIE FERRARI-LEGENDE
Drei Jahre nach dem Skandal von Jerez wird Schumi das erste Mal Weltmeister mit Ferrari - und erobert Italien. Das Werk in Maranello liegt am Boden, als Schumacher 1997 nach zwei WM-Titeln mit Benetton kommt und einer Legende mit einem beispiellos akribischen Alleingang den Stolz zurückgibt. Eine Leistung, die sein gefeierter, aber nicht verehrter Nachfolger Sebastian Vettel (26) noch nachweisen muss - wenn er überhaupt die Chance dazu bekommt. Schumi hat Meilensteine gesetzt. Die Wiederholung solcher Erfolge hat nicht dieselbe Magie - und fand deshalb in der Vergangenheit oft kaum Platz in der Sportgeschichte.
SCHUMI, DER GEWINNENDE VERLIERER
Die Verehrung seiner Fans ist ihm da sicher. Den Respekt seiner Gegner bekommt Schumi 2006. Es ist der Moment, in dem ein all die Jahre so kühl seine Erfolge einfahrender, siebenfacher Weltmeister eben nur noch dann gewinnen kann, wenn er verliert. Schumacher geht 2006 im letzten WM-Duell seiner Karriere gegen Fernando Alonso (32) der Motor aus. Als er aus dem Wagen aussteigt, schenkt er jedem Team-Mitglied eine ehrliche Umarmung. Sein Comeback zwischen 2010 und 2012 ist gewiss nichts für die Geschichtsbücher. Aber fürs Herz. Der so verbissene Champion zeigt, dass er auch verlieren kann - und holt sich so auch den Titel der Herzen.
Einen weiteren großen Sieg gibt es erst nach der Karriere - und zwar kampflos. Anders als seine Legenden-Kollegen Boris Becker (46) und Lothar Matthäus (52) hört man von Schumi nämlich - nichts. Jeder der wenigen Auftritte hat einen Sinn, ob sportlicher oder karitativer Natur. Die Zeit kürt Schumacher zum "Mann des Sports und nicht des Spotts" - und könnte wohl nicht richtiger liegen.
SCHUMI, DER UMSTRITTENE WOHLTÄTER
Auch wenn sich Schumi nach seiner Karriere rar macht, wirkt er weiter: Er hat die Formel 1 als selbstbewusster Kopf der Fahrergewerkschaft über viele Jahre immer sicherer gemacht. Seit dem tragischen Tod von Ayrton Senna 1994 ist kein Formel-1-Fahrer mehr ums Leben gekommen. Ein Teil seiner Millioneneinnahmen, mit denen er dem deutschen Steuersystem bekennend und seit vielen Jahren keine Freude macht, geht an Menschen, denen es schlecht geht. Vor genau fünf Jahren spendet er beispielsweise zehn Millionen Dollar an die Flutkatastrophen-Gebiete in Indonesien und Thailand.
SCHUMI, DER FAMILIENMENSCH
Mit dem Rest des Geldes führt er ein erfrischend bodenständiges, stilles und so glaubhaft harmonisches Familienleben mit seiner Frau Corinna und den beiden Kindern Gina-Marie und Mick. Nicht eine Privat-Schlagzeile leistet sich das Paar. Im Gegenteil. "Es ist nicht so leicht, eine Partnerin zu finden, die sich bedingungslos meinem Lebensrhythmus anpasst. [...] Wir haben die gleichen Vorstellungen davon, wie wir unser Leben verbringen wollen", sagt Michael. "Ich kenne Michael nur als Rennfahrer. Ich habe absolutes Vertrauen zu ihm, zu seinen Stärken, zu seinen Einschätzungen und zu seinem Naturell", sagt Corinna. Es passt bei den beiden - ein seltenes Glück in der großen Welt des Sports.
SCHUMI, DER GEFANGENE
Die italienische Zeitung La Republicca nennt Schumi einen "Sklaven der Geschwindigkeit". Immer wieder zucken seine jungen und alten Fans zusammen, wenn sie von Schumis riskanten Post-Karriere-Hobbys wie Fallschirmspringen, Klettern, Motorrad- und Skifahren hören und lesen. Als sich Schumacher bei einem Motorrad-Unfall schwer verletzt, zischt nicht nur ein Redakteur der Rheinischen Post bei der Sichtung der Agentur-Meldungen "Schumi, lass den Scheiß!". Millionen brummen mit. Schumi selbst sagt kurz vor Jahresende in einem RTL-Interview: "Ich glaube, man muss sich in seinen Grenzen bewegen. Und solange man das tut, ist es vertretbar, egal was man tut.[...] Wenn‘s passieren soll, wird's passieren – egal wo." Wenige Tage später kommt es zum folgenschweren Unglück...
Zuletzt wurden erste Stimmen laut, die Berichterstattung über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher sei unverhältnismäßig. Sie ist es nicht. Aus zwei Gründen: Erstens haben gerade Schicksale von Prominenten exemplarisch für viele gesellschaftliche Problemzonen eine enorme Bedeutung, das Skiunglück des Politikers Dieter Althaus (55) beispielsweise ließ die Anzahl der Helm-Träger auf Pisten in die Höhe schießen wie nie zuvor. Aufmerksamkeit dieser Art kann nur ein gesellschaftlicher "Repräsentant" erreichen.
Zweitens gibt es ein ehrliches und aufrichtiges öffentliches Interesse an dem Mann, der mit seinen sportlichen Leistungen wie auch mit seinem Charakter Generationen geprägt, verbunden - und in kontroversen Diskussionen an vielen Sonntagmittagen (reparabel) entzweit hat. Diese sieben Gründe - gespeist aus den Schlaglichtern einer beispiellosen Karriere - sollen die überbordende Empathie vieler, vieler Menschen erklären, für die sich Schumachers Frau Corinna vor wenigen Tagen bedankte.
Promiflash wünscht Michael Schumacher alles Gute zum Geburtstag - und für das Wunder, nach dem sich Millionen sehnen, viel, viel Kraft.